Sechs Monate, fast sieben bin ich jetzt schon hier. Zeit genug, um viele Erfahrungen zu machen, Emotionales, Schönes, Liebevolles, Lustiges zu erleben. Ein paar Anekdoten aus dem letzten halben Jahr möchte ich in diesem Artikel mit Euch teilen.
Frühstückszeit in der Schule. Ich helfe gerade einer Schülerin beim Essen und bin froh darüber, wie schön sie gerade isst. Weiter geht es also. Immer schön Stück für Stück, Löffel für Löffel, bis ihr Joghurt entweder alle ist oder sie keinen Hunger mehr hat. Ich bin gerade super relaxed, heute ist das Essen anreichen ja wirklich entspannt! Ungefähr eine Sekunde später passiert es. B. muss niesen und ich schaffe nicht mehr schnell genug aus dem Weg zu gehen. Das Resultat: den halben Erdbeerjoghurt in den Haaren, im Gesicht und auf dem T-shirt-Guten Morgen!
Frühstück im 11. Stock des Altenheims. Ich spreche mit einer Bewohnerin und versuche sie währenddessen zum Essen zu animieren. Wir sprechen auf Hebräisch. Sie: „Wir lange dauert es noch?“ Ich:“ Noch bis Ende August, insgesamt 12 Monate.“ Auf einmal guckt sie sehr irritiert. „Ich meine wann kommt dein Baby?“ Ups. „Äh, ich bekomme kein Kind.“ Enttäuschte Stille und mir kommt die Frage in den Sinn, ob ich eventuell sehr plötzlich innerhalb einer Woche zugelegt habe.
Wir stehen in einem billigen Supermarkt und kaufen voll begeistert vier Packungen Mehl, die gerade im Angebot sind. Schon große Packungen und ein annehmbarer Preis. Am Wochenende geht es ans Kuchenbacken. Ich schmelze Butter, rühre Eier und Zucker zusammen. Öffne das Mehl und schütte schwungvoll den Inhalt in das Waagenschälchen. Mooooooment. Das Mehl sieht irgendwie komisch aus. Dann die harte Erkenntnis. Es ist Grieß. Wir haben vier Kilogramm Grieß. Wer Grieß gebrauchen kann, meldet sich bitte… …oder wer Rezepte hat für die man mehr als 16 Gramm Grieß braucht. Unsere Überschlagung wie viel Grießbrei wir mit vier Kilo Grieß kochen können, hat dann doch die Ausmaße, ganz Haifa zu ernähren, samt der Millionen Straßenkatzen Israels…
Station für an Demenz und Alzheimer erkrankte Menschen. Eine Frau sitzt auf einem Stuhl, der eher für die Pfleger und Betreuer gedacht ist. Ein paar mal bittet ein Pfleger sie, sich doch auf ihren Stuhl, der direkt neben ihr steht, zu setzen. Aber sie weigert sich. Nach 20 Minuten frage ich dann aus Interesse nach dem Grund für ihr beharrliches Weigern. Ihre Antwort: „Weil er das will.“ Und auf einmal kann ich mir sehr gut vorstellen, dass sie auf der Station sehr viel Spaß hat.
Eine Schülerin aus der Klasse, in der ich Freiwillige bin, hat noch zwei Brüder in der Schule. Sie werden mit einem Bus zusammen zur Schule gefahren. Jeden Morgen steige ich in den Bus, begrüße sie, schnalle sie ab und helfe ihr aus dem Bus. Seitdem ich das täglich mache, bin ich auch für den Rest im Bus nicht mehr fremd. Eines Tages stieg ich in den Bus und mich gucke nicht nur „meine“ Schülerin mit großen Augen an, sondern auch ihr Bruder. Seitdem spreche ich auch mit ihm mehrmals täglich und es macht mich glücklich zu sehen, wie er reagiert, sich freut und auch versteht, wie die Verbindung zwischen mir und seiner Schwester ist.
Das waren jetzt nur ein paar Anekdoten von vielen, einzigartige Momente, die ich schon erleben durfte, aber ich glaube doch, dass sie zeigen, was mir die Arbeit mit Menschen geben kann. Natürlich ist es auch anstrengend, frustrierend, manche Situationen machen traurig und wütend. Aber zum größten Teil erfahre ich Dankbarkeit, schaue in lächelnde Gesichter, schließe Freundschaften, erfahre Kultur und ich werde mit offenen Armen empfangen.