Israel nach 12 Monaten. Was bedeutet das für mich?

Israel, Du mein geliebtes Land. Es fehlen mir so sehr die Worte zu erklären, was Du mir bedeutest. Du bedeutest so viel, nach diesen 12 Monaten erst recht. Du bist der Inbegriff von so Vielem. Gesichter von Kindern, die mir lachend ins Gesicht schauen. Runzelige Gesichter von Menschen mit riesigen Herzen und langen Geschichten, die dankbar lächelnd Toda sagen. Du bist die Vielseitigkeit, das weiche, klare Wasser des Mittelmeeres, was sich auftürmt, zu trotzigen, stürmischen Wellenbergen, ganz plötzlich. Du bist die alten Frauen, die in der Altstadt von Jerusalem Obst und Öl verkaufen und die vollen Marktstände, die die Gassen zu verstopfen drohen. Du bist die trockene Wüstenhitze und der frische Geschmack des Saftes von Orangen, Clementinen, Pampelmusen, Grapefruits und Mangos. Du bist das Salz auf meiner Haut und die Sonnenstrahlen, die mein Haar bleichen. Du hast die singende Stimme eines Muezzins, Rabbiners und Pfarrers, die hebräischen Rachenlaute und arabischen Kehlkopfklänge. Du bist der Geschmack von starkem Kaffee mit Kardamom und viel Zucker, getrunken aus kleinen Gläsern. Du bist der so typische Tomaten-Gurken-Salat und die Pita mit Humus. Du bist die kleinen engen Gassen in Jerusalem und Nazareth, der starke Geschmack von Kumin, Koriander und Zimt. Der stechende Geruch von Weihrauch, der sich so in der Kleidung festsetzt, die um die Ecke huschenden Katzen, mit ihren blauen und grünen Augen. Du bist der Nachtbus, der mich nach Jerusalem bringt, Du bist das Lachen von mir und meinen Freunden, die Lichter, die an mir vorbei huschen, das im Vorbeigehen gerufene „Manischma Hamouda?“ Du bist Freuden- und Trauertränen, Wut, Einsamkeit, Zusammenhalt und Stärke.

Und vor allen Dingen bist du eins geworden.

Ein zu Hause.

Abschied nehmen von den Schülern und Schülerinnen

Auf einmal ist das Jahr vorbei. Gestern war mein letzter Arbeitstag in der Schule. Wie es mir dabei erging und wie sich die Mischung aus Fassungslosigkeit, Liebe und Traurigkeit für mich anfühlt, möchte ich Euch heute berichten. Weiterlesen „Abschied nehmen von den Schülern und Schülerinnen“

„Ist Israel nicht gefährlich?“

Nicht nur seitdem ich im Lande bin, sondern auch schon seitdem mein Entschluss fest stand, nach Israel zu gehen, gab es viele Gespräche mit Freunden, Freundinnen, Verwandten und Bekannten, die mich bezüglich der Sicherheitslage nach meiner Sichtweise fragten. Oft gingen die Fragen in die Richtung: „Herrscht dort nicht Krieg?“, „Ist es nicht gefährlich?“, „Hast du keine Angst?“, „Was sagen deine Eltern dazu?“

Darüber wie ich die Sicherheitslage im Alltag erlebt habe und erlebe, handelt dieser Blogartikel.

Weiterlesen „„Ist Israel nicht gefährlich?““

Ironic Facts about Israel

In einem Jahr sind mir in bestimmten Alltagssituationen Dinge aufgefallen, die besonders für Israel sind, sowie Dinge, die ich hier erst gelernt habe. Heute also eine ironische Auflistung von Dingen, die man lernt, wenn man ein Jahr in Israel lebt.

1. Geckos sind nette Mitbewohner, Kakerlaken nicht.

Zusatzinformation: Kakerlaken können verdammt groß werden und das Hobby entwickeln wahlweise morgens um 5:30 oder nachts um halb zehn im Bad auf einen zu zu rennen…

…und sie rennen schnell.

2. Busfahrer stellen zur Außentemperatur gerne eine Differenz von mindestens 20 Grad her.

3. Busfahrer haben anscheinend alle einen eigenen Bus und schmücken ihn gerne wie einen Weihnachtsbaum…

… oder bauen ihn zu einem Kräutergarten um.

4. Es gibt kosheres Essen und es gibt extrem kosheres Essen und dann taucht plötzlich  irgendwo Schweinefleisch auf. Wer soll denn jetzt noch verstehen, wer, wie, was, wann isst??

5. Ja, auch in Israel existiert der Winter. Nein, wir haben keine Zentral-Heizung und keine Klimaanlage in unserer Wohnung. Auch zehn Grad können sich wie minus zehn Grad anfühlen.

6. Nein, die Straßen sind nicht für Regen ausgelegt. 20 Minuten Regen, ein Tag Verkehrschaos.

7. Feste Zeiten, wann Busse kommen, gibt es theoretisch, aber NUR theoretisch.

8. Busfahrer bremsen ihren Bus auch gerne mal bei 100 Sachen erst einen Zentimeter vor der roten Ampel ab…

…und fordern damit die Haltetechniken und akrobatischen Fähigkeiten der Mitfahrenden heraus.

Zusatzinformation: Ich glaube, ich kann mittlerweile die Schwerkraft bekämpfen.

9. Verabrede dich mit einem Israeli / einer Israelin um halb drei und er/sie wird um drei kommen.

10. Briefe von Israel nach Deutschland funktionieren besser als Briefe von Deutschland nach Israel…

…ich warte noch auf zwei Briefe, seit Dezember!!!!

11. Essverhalten: In Israel wird gegessen und zwar IMMER. Gerade gefrühstückt? EGAL. Jetzt gibt es noch eben Kuchen und Kaffee und warum zur Hölle möchte die Freiwillige um viertel vor acht Uhr morgens keinen Suvganiot (ähnlich wie Berliner) essen?!

Halbzeit! Anekdoten aus den letzten Monaten

Sechs Monate, fast sieben bin ich jetzt schon hier. Zeit genug, um viele Erfahrungen zu machen, Emotionales, Schönes, Liebevolles, Lustiges zu erleben. Ein paar Anekdoten aus dem letzten halben Jahr möchte ich in diesem Artikel mit Euch teilen.

Frühstückszeit in der Schule. Ich helfe gerade einer Schülerin beim Essen und bin froh darüber, wie schön sie gerade isst. Weiter geht es also. Immer schön Stück für Stück, Löffel für Löffel, bis ihr Joghurt entweder alle ist oder sie keinen Hunger mehr hat. Ich bin gerade super relaxed, heute ist das Essen anreichen ja wirklich entspannt! Ungefähr eine Sekunde später passiert es. B. muss niesen und ich schaffe nicht mehr schnell genug aus dem Weg zu gehen. Das Resultat: den halben Erdbeerjoghurt in den Haaren, im Gesicht und auf dem T-shirt-Guten Morgen!

Frühstück im 11. Stock des Altenheims. Ich spreche mit einer Bewohnerin und versuche sie währenddessen zum Essen zu animieren. Wir sprechen auf Hebräisch. Sie: „Wir lange dauert es noch?“ Ich:“ Noch bis Ende August, insgesamt 12 Monate.“ Auf einmal guckt sie sehr irritiert. „Ich meine wann kommt dein Baby?“ Ups. „Äh, ich bekomme kein Kind.“ Enttäuschte Stille und mir kommt die Frage in den Sinn, ob ich eventuell sehr plötzlich innerhalb einer Woche zugelegt habe.

Wir stehen in einem billigen Supermarkt und kaufen voll begeistert vier Packungen Mehl, die gerade im Angebot sind. Schon große Packungen und ein annehmbarer Preis. Am Wochenende geht es ans Kuchenbacken. Ich schmelze Butter, rühre Eier und Zucker zusammen. Öffne das Mehl und schütte schwungvoll den Inhalt in das Waagenschälchen. Mooooooment. Das Mehl sieht irgendwie komisch aus. Dann die harte Erkenntnis. Es ist Grieß. Wir haben vier Kilogramm Grieß. Wer Grieß gebrauchen kann, meldet sich bitte…  …oder wer Rezepte hat für die man mehr als 16 Gramm Grieß braucht. Unsere Überschlagung wie viel Grießbrei wir mit vier Kilo Grieß kochen können, hat dann doch die Ausmaße, ganz Haifa zu ernähren, samt der Millionen Straßenkatzen Israels…

Station für an Demenz und Alzheimer erkrankte Menschen. Eine Frau sitzt auf einem Stuhl, der eher für die Pfleger und Betreuer gedacht ist. Ein paar mal bittet ein Pfleger sie, sich doch auf ihren Stuhl, der direkt neben ihr steht, zu setzen. Aber sie weigert sich. Nach 20 Minuten frage ich dann aus Interesse nach dem Grund für ihr beharrliches Weigern. Ihre Antwort: „Weil er das will.“ Und auf einmal kann ich mir sehr gut vorstellen, dass sie auf der Station sehr viel Spaß hat.

Eine Schülerin aus der Klasse, in der ich Freiwillige bin, hat noch zwei Brüder in der Schule. Sie werden mit einem Bus zusammen zur Schule gefahren.  Jeden Morgen steige ich in den Bus, begrüße sie, schnalle sie ab und helfe ihr aus dem Bus. Seitdem ich das täglich mache, bin ich auch für den Rest im Bus nicht mehr fremd. Eines Tages stieg ich in den Bus und mich gucke nicht nur „meine“ Schülerin mit großen Augen an, sondern auch ihr Bruder. Seitdem spreche ich auch mit ihm mehrmals täglich und es macht mich  glücklich zu sehen, wie er reagiert, sich freut und auch versteht, wie die Verbindung zwischen mir und seiner Schwester ist.

Das waren jetzt nur ein paar Anekdoten von vielen, einzigartige Momente, die ich schon erleben durfte, aber ich glaube doch, dass sie zeigen, was mir die Arbeit mit Menschen geben kann. Natürlich ist es auch anstrengend, frustrierend, manche Situationen machen traurig und wütend. Aber zum größten Teil erfahre ich Dankbarkeit, schaue in lächelnde Gesichter, schließe Freundschaften, erfahre Kultur und ich werde mit offenen Armen empfangen.